Buch zum NS-Unrecht an der Universität Stuttgart erschienen

Universitätsarchiv veröffentlicht Forschungsergebnisse mit 300 Kurzbiografien von Betroffenen

Norbert Becker und Katja Nagel: Verfolgung und Entrechtung an der Technischen Hochschule Stuttgart während der NS-Zeit.

Belser Verlag, Stuttgart
520 Seiten
mit 70 sw-Abbildungen.
17 × 24 cm, gebunden.
ISBN 978-3-7630-2805-4

35 Euro

Seit dem 11. Januar ist die Monografie „Verfolgung und Entrechtung an der Technischen Hochschule Stuttgart während der NS-Zeit“ im Buchhandel erhältlich. Damit ist ein Projekt abgeschlossen, mit dem der Rektor der Universität im Mai 2013 das Universitätsarchiv beauftragt hatte. Anlass für das Forschungsvorhaben war ein Antrag gewesen, zwei Studenten zu rehabilitieren, die während der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund einer gerichtlichen Verurteilung wegen Homosexualität von der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart verwiesen worden waren.

Es galt nun, möglichst alle während der NS-Zeit verfolgten Mitglieder unserer Hochschule zu ermitteln und die Umstände ihrer Entrechtung sowie deren Folgen für den weiteren Lebensweg zu dokumentieren. Katja Nagel, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt, und Norbert Becker, Leiter des Universitätsarchivs, haben 442 Fälle entdeckt – viele Schicksale werden aber wegen der schlechten Quellenlage wohl weiterhin im Dunkeln bleiben: Weil sie Juden waren oder jüdische Vorfahren hatten oder weil sie politisch missliebig waren, wurden Professoren, Assistenten und Mitarbeiter der Hochschule vorzeitig pensioniert oder entlassen; Studierende wurden zwangsexmatrikuliert; Ehrensenatoren, Ehrenbürgern und Promovierten wurde die Ehrung aberkannt bzw. der Doktorgrad entzogen. Kriegsgefangene und Zivilisten aus den von Deutschland besetzten Ländern wurden zur Arbeit an den Instituten der Hochschule gezwungen und teils menschenunwürdig behandelt. Im ersten Teil des Buchs werden die Akteure dieses Geschehens vorgestellt, die Machtübernahme der Nationalsozialisten an der Hochschule und das konkrete Verfolgungsgeschehen geschildert sowie der Widerstand hiergegen, die langfristigen Folgen der Unrechtshandlungen für die Betroffenen und die Aufarbeitung des NS-Unrechts durch die Universität Stuttgart nach 1945 behandelt. Im zweiten Teil folgen ca. 300 Kurzbiografien der Betroffenen, die wir namentlich ermitteln konnten.

Einige Leseproben finden Sie hier:
http://www.uni-stuttgart.de/archiv/veroeffentlichungen/

Die Veröffentlichung ist demnächst auch in der Universitätsbibliothek ausleihbar.

Dieses Foto zeigt die Abschiedsfeier des jüdischen Chemiestudenten Günter Zittwitz (erster von links) im Februar 1939. Zittwitz war im Zuge der Novemberpogrome 1938 (sog. „Reichskristallnacht“) in das KZ Dachau verschleppt worden und zusammen mit den letzten jüdischen Studierenden am 12. November 1938 von der Technischen Hochschule Stuttgart verwiesen worden. Wenige Tage, nachdem dieses Foto entstanden war, emigrierte er nach England. Zu den Relegierten gehörten auch seine jüdischen bzw. als jüdisch geltenden Freunde, die Chemiestudenten Wolfgang Fackenheim (rechts) und Georg Liebel (vierter von links). Während Georg Liebel die KZ-Haft erspart blieb, wurde Wolfgang Fackenheim bei den Novemberpogromen 1938 bis zum Januar 1939 in das KZ Welzheim verschleppt. Auch Liebel und Fackenheim gingen im Frühjahr 1939 in die Emigration nach Großbritannien. Das Foto fand sich im Nachlass Georg Liebels bei seiner Tochter in Toronto.


Weitere Veröffentlichungen zu diesem Thema:

Gedenkveranstaltung NS-Unrecht an der Universität Stuttgart

Verfolgung und Entrechtung an der Universität in der NS-Zeit: Bericht von der Gedenkveranstaltung „NS-Unrecht an der Universität Stuttgart“ vom 6. Februar 2017

Uni Stuttgart arbeitet Nazi-Vergangenheit auf: 440 Opfer von Unrecht und Verfolgung ermittelt, Stuttgarter Zeitung vom 7. Februar 2017